NOIZZ.de: In unserer Interview-Reihe „Allein zu Haus“ zeigen Künstler*innen und Musiker*innen ihr Zuhause und erzählen, was sie gerade jetzt in der Corona-Krise bewegt. In dieser Folge hat uns die „4 Blocks“-Schauspielerin Karolina Lodyga-Werner einen Einblick in ihren Alltag gegeben: in das Leben in einem Mehrfamilienhaus bei Oberfranken.

Sie ist Polen geboren, lebt nun mit ihrem Ehemann in einem Drei-Generationen-Haus bei Oberfranken – und hat sich in den letzten Wochen als eine Putzfee entpuppt: Karolina Lodyga-Werner versucht das Beste aus der aktuellen Situation zu machen und Kraft für die kommenden Wochen zu tanken. Sie sieht in allem das Positive, ist über die neuen Richtlinien für Dreharbeiten aber doch ein wenig verwundert.

Nach „4 Blocks“ und „Anna und die Liebe“ folgt die nächste Serien-Rolle

Die 36-Jährige wurde als böse Stiefschwester in der Sat1-Serie „Anna und die Liebe“ bekannt. Fans von „4 Blocks“ kennen sie als Ewa. Lodyga-Werner gibt zu, im Gegensatz zu vielen Schauspielkolleg*innen in Zeiten der Pandemie noch Glück zu haben: Sie hat aktuell zwei Jobs, die hoffentlich bald fortgesetzt werden – unter anderem eine Rolle in der dritten Staffel von „Sankt Maik“.

Sie hat NOIZZ erzählt, warum sie froh ist, aktuell nicht in Berlin zu sein – und warum ihr neues Hobby fast schlimmer ist als Corona.

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Karolina Lodyga-Werner im Interview:

NOIZZ: Wie lange befindest du dich schon in Isolation und wie geht es dir damit?

Karolina Lodyga-Werner: Ich glaube, das geht schon über zwei Monate, seit Mitte März. Mittlerweile habe ich aber meine innere Ruhe gefunden. Ich habe knapp 20 Jahre in Berlin gelebt und wohne nun seit 2013 in der Nähe von Nürnberg. Das Einzige, was man hier Aufregendes machen kann: Im Bio-Laden, Lidl, Aldi und Rewe einkaufen gehen. Mehr habe ich eigentlich nicht gemacht – außer den Wald begutachtet.

Seit Februar habe ich in Köln am Set der neuen Staffel von „Sankt Maik“ gearbeitet. Nach meinem achten Drehtag bin ich nach Hause, kurz danach wurden die Serien-Arbeiten abgebrochen. Als alles dichtgemacht wurde, waren wir erst bei der Hälfte der dritten Staffel. Das ging alles ziemlich schnell.

Inwiefern hat die aktuelle Situation Auswirkungen auf deine Arbeit, die Schauspielerei?

Ich habe zwei Jobs, die wahrscheinlich beide dieses Jahr noch fortgesetzt werden. Wenn ich vor fünf Jahren in der gleichen Situation gesteckt hätte, wäre das ganz schlimm gewesen. Am Anfang der Krise haben mich viele Kolleg*innen mit Nachrichten bombardiert, um auf die Problematik der Branche hinzuweisen. Mir war das alles zu früh. Ich wollte das erst einmal alles verarbeiten, der Politik ein wenig Zeit geben und nicht direkt einen großen Hilfe-Aufruf starten. Vielleicht konnte ich das alles nicht so schnell verarbeiten. Jetzt sehe ich ein, dass sie doch recht hatten. Es werden all die Probleme deutlich, vor denen gewarnt wurde.

Es gibt Schauspieler*innen, die dieses Jahr wohl nichts mehr drehen können. Sie hatten keine Chance – weil 2020 erst angefangen hatte – sich irgendetwas zu erarbeiten. Das Problem: Schauspielerei hat nichts mit Selbstständigkeit zu tun. Keiner von uns ist, soweit ich weiß, in der Künstlersozialkasse. Wenn du bei der UFA (Anm. der Redaktion: Eine Dachgesellschaft, die das weltweite Produktionsgeschäft der zu Bertelsmann gehörenden RTL Group betreibt) angestellt bist, darfst du das gar nicht. Dann fallen viele Hilfen weg.Garten Karolina LodygaFoto: privat / Karolina Lodyga

Ab Mitte Juli können wir wohl wieder anfangen zu drehen. Allerdings unter sehr schwierigen Voraussetzungen. Ich frage mich nur, warum Fußballer Tests bekommen – aber wir nicht?

Die neuen Richtlinien besagen, dass ich im schlimmsten Fall 40 Tage in Quarantäne muss. Wenn man keine 1,5 Meter Abstand halten kann – weil das nun mal so im Buch steht und sich die Szene nicht ändern lässt – muss man vor jedem dieser Drehtage fünf Tage vorher in Isolation. Ich habe noch zehn Drehtage offen und alle finden mit einer anderen Person im Auto statt. Zehn Mal fünf? Das ist echt viel.

Quarantäne bedeutet in diesem Fall, dass ich nicht mal in den Supermarkt kann. Aber wo soll ich denn hin? Ich bin dankbar, dass ich wieder arbeiten kann. Es kann aber sein, dass sich die Drehtage überschneiden und ich mich drei Monate lang isolieren muss.

Angeblich gibt es jetzt Hilfen für Schauspieler*innen. Vielleicht hat die Politik sich doch noch mit unserer Branche auseinandergesetzt und begriffen, dass wir nicht Mitglieder der Künstlersozialkasse sind. Die Einsicht und voraussichtliche Hilfe kommt allerdings ziemlich spät.https://pulsembed.eu/p2em/UNKieN-2G/

„Ich wollte in Ruhe mit mir selbst sein, mit meinem Geputze, meinem Marie-Kondo-Ding.“

Du bist in deiner Heimat, ohne Arbeit, in Isolation. Ist das nicht auch ein klein wenig Urlaub?

Urlaub ist für mich Arbeit. Am Anfang ist es mir ziemlich schwergefallen, runter zu kommen. Ich war noch voll in der Rolle, alles war so aufregend. Es sollte sogar ein neuer Regisseur kommen. Vergangenes Jahr war ich immer viel unterwegs und habe höchstens drei Tage die Woche zuhause verbracht. Plötzlich fällt das weg, alles ist anders.

Ich habe zu Beginn wahnsinnig viel geputzt. Vielleicht bin ich meinen Mitmenschen damit sogar etwas auf die Nerven gegangen. Ich höre mit dem Saubermachen aber erst auf, wenn ich komplett fertig und zufrieden bin – egal, was für körperliche Schmerzen ich danach habe. Ich habe nicht einmal Musik gehört. Selbst das hat mich gestört. Ich wollte in Ruhe mit mir selbst sein, mit meinem Geputze, meinem Marie-Kondo-Ding.

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Marie Kondo, die Aufräumexpertin von Netflix?

Ich gehe dem eigentlich gar nicht nach – aber meine Schwiegermutter hat mich auf die Serie gebracht. Dabei habe ich gemerkt, dass ich gar nicht mal so schlecht bin. Mir fehlen nur noch zwei Dinge, die ich nach ihren Aufräum-Regeln umsetzen muss.Karolina Lodyga: Nachdem die Wohnung sauber war, ist sie dann doch noch in den Wald gegangenFoto: privat / Karolina Lodyga

Gibt es eine Gruppe von Menschen, die du noch besuchst?

Ich wohne in einem Drei-Generationen-Haushalt: mit meinem Mann, meiner Schwiegermutter, ihrem Ehemann, Oma und Opa. Wenn man plötzlich viel zuhause ist, entstehen unbekannte Probleme. Beispielsweise wenn man für die Großeltern einkaufen muss – und einem auffällt, dass man deren Essensvorlieben gar nicht kennt.

Ich habe viel mit meiner Familie telefoniert und geskyped, die ist über die halbe Welt verteilt. Ansonsten war ich nur zuhause und bin nach wie vor sehr dankbar, dass ich mir an meinem Geburtstag nicht selbst ein Liedchen singen musste.

Man musste auf viele Sachen verzichten – aber trotzdem glücklich und positiv sein. Das war und ist nicht immer einfach.

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Wärst du in Isolation lieber an einem anderen Ort?

Nein. Ich habe Glück – ich habe einen Garten und in der Nähe einen Wald. In den ersten Wochen meines Putzwahnsinns habe ich das Haus gar nicht verlassen, bis meine Schwiegermutter meinte: Du gehst jetzt raus! Dann habe ich gemerkt, wie viel Freude mir die Zeit draußen bereitet. In Berlin wäre ich der Zeit nicht so glücklich geworden – ohne Zuhause, ohne See, ohne Balkon.

Ich habe es mir zuhause schön gemacht: die restliche Farbe rausgeholt und Makel verbessert, die mich schon immer gestört haben. Es ist nun mal, wie es ist. Ich versuche, nicht daran zu denken, was mir durch die Pandemie entgangen ist. Ich möchte kein negativer Mensch sein.

Wie gehst du mit der aktuellen Ungewissheit um?

Ich mache mir viele Gedanken: Wie geht das alles weiter? Müssen wir die nächste Zeit durcharbeiten – und sollte ich die Wochen nutzen, um Kraft zu tanken? Werde ich überhaupt das Glück haben, wieder viel arbeiten zu können? Ich hoffe darauf – das funktioniert aber nur, wenn unsere Branche Unterstützung bekommt. Ich vertraue darauf, dass alles gut wird.

Hast du dir – neben dem Putzen – noch weitere Hobbys zugelegt?

Mein neues Projekt ist Detox und Sport. Das ist teilweise emotional schwieriger als Corona (lacht). Der Tag fängt mit Smoothie an, dann kommen Süßkartoffeln und Gazpacho. Abends gibt es eine Protein-Suppe, die fast nach gar nichts schmeckt. Dafür habe ich die letzten Wochen jeden Tag für meinen Mann gekocht.

Ich habe erst die Wohnung optimiert, jetzt ist mein Körper an der Reihe.Karolina Lodyga mit ein wenig Spaß beim SportFoto: privat / Karolina Lodyga

Wenn du einen Wunsch frei hättest: Was sollten wir als Lektion aus dieser Krise mitnehmen?

Wir sollten uns selbst nicht so wichtig nehmen und den Mut haben, neue Wege zu gehen. Auf Dinge verzichten und dankbar für das sein, was wir haben – das kann man in dieser Zeit sehr gut üben. So auch, im Hier und jetzt zu leben, anstatt immer alles vorauszuplanen.

Hast du Lieblingsorte zuhause – oder im Wald?

Ich habe mir eine kleine Leseecke gebaut, die gut geeignet ist, um die Drehbücher durchzugehen. Die Ecke ist – zugegeben – nicht ganz so neu, dafür aber der Teppich. Manchmal schenke ich mir eine Weißweinschorle ein, zünde eine Kerze an – und mache es mir dort gemütlich. Zur Ruhe zu kommen fühlt sich sehr gut an.Die Lieblingsecke von Karolina Lodyga-WernerFoto: Karolina Lodyga-Werner / privat / Lodyga

Eine Playlist, die im Hintergrund hoch und runter läuft, habe ich nicht. Dafür aber eine Filmliste. Was ich geschaut habe, war unter anderem Outsiders, Dokumentationen und Into the Night. Call my Agent, Freud, Tatorte und Hamlet auf 3Sat möchte ich mir noch ansehen – und mich so inspirieren lassen für die Zeit, die hoffentlich bald kommt.

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Foto: Glampool / Corinna Nogat

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