NOIZZ.de: Was haben Glaube, Frankfurt und die Känguru Chroniken gemeinsam? Sie sind alle auf dem neuen Album von Moses Pelham vereint. „Emuna“ heißt der 44-minütige Longplayer, der mit dem Piepen eines Herzmonitors anfängt und mit den Worten „Dies hier ist die Botschaft – Emuna“ endet.
Was genau Botschaft ist, kann und möchte Moses Pelham aber selbst nicht sagen. Wer verstehen will, was der 48-Jährige mit seiner Musik ausdrücken will, muss zuhören. Dabei stellt man fest: Das hebräische Wort Emuna ist nicht einfach mit „Glaube“ zu übersetzen. Es bedeutet viel mehr – zumindest für Moses Pelham. Wenn seine Beats am Herzen anklopfen und die Lyrcis im Kopf umschwirren, fühlt man sich dem Rapper näher. „Emuna“ ist vielleicht die persönlichste Platte, die er in über 30 Jahren Musikgeschichte produziert hat. Perfekt ist sie nicht, aber rau und ehrlich – und genau deswegen schön.
NOIZZ: Du hast auf deinem Album Glaube und Frankfurt vereint. Inwiefern passt beides zusammen?
Moses Pelham: Beides sind elementare Dinge meines Lebens. Frankfurt ist für mich Heimat, ich habe noch nie in einer anderen Stadt gelebt. Das ist meine Basis, sie gibt mir Geborgenheit. Glaube macht so etwas Ähnliches – ohne ihn bist du, finde ich, verloren. Glaube und Frankfurt: Beide geben mir Halt im Leben. Deswegen passt das auch zu meinem neuen Album, wobei „Emuna“ für mich nicht einfach nur „Glaube“ bedeutet.
Emuna wird aber meistens mit Glauben übersetzt. Was bedeutet es dann für Dich, persönlich?
Moses Pelham: Das ist gleich die Erklärung, warum ich für meinen Albumtitel einen Begriff aus einer anderen Sprache gewählt habe. Den Begriff gibt es im Deutschen nicht. Wenn ich Emuna schnell übersetzen müsste, würde ich „Kraft des Glaubens“ sagen. „Glauben“ bedeutet für mich so viel wie „etwas nicht wissen“, also einen Mangel an Informationen. Es ist eigentlich ein schwaches Wort. Der Glaube, von dem ich spreche, ist aber etwas sehr Starkes. Und Emuna ist viel mehr. Es ist die Kraft, die daraus entsteht. So kannst du mehr wissen, als du intellektuell verarbeiten kannst. Daraus wächst auch noch Vertrauen – eines, das nach meinem Verständnis Gott bindet.
Um das genauer zu erklären: Ich habe den Begriff von meinem Freund, dem Rabbiner David Kraus. Er hat mir den Begriff erklärt, indem er ihn dauernd benutzte. Ich habe mir die Bedeutung selbst zusammengereimt – habe ihn trotzdem irgendwann gefragt, was er genau bedeutet. Emuna war für mich immer verbunden mit dem Lächeln und der Freude, die er hatte, während er das sagte.
Es heißt auf deiner Homepage in Großbuchstaben: „Wer Emuna verpasst, verpasst die Liebe und das Leben.“ Ich wusste nicht mal, was Emuna bedeutet. Habe ich jetzt ein Problem?
Moses Pelham: Für mich ist das kein Problem. Ich hatte neulich ein Gespräch mit einem Bekannten, der meinte, er glaube nicht. Er ist kein Atheist, aber sagen wir mal Agnostiker. (Anm. d. Red.: Der Agnostiker glaubt, dass er nichts weiß, und der Atheist weiß, dass er nicht glaubt.) Dann beschrieb er seine Sicht – und für mich war klar, dass er offensichtlich ein Urvertrauen besitzt. Ich sagte: „Bruder, du hast vielleicht andere Worte dafür gefunden – aber du glaubst!“
Es heißt, man darf sich kein Gottesbild machen – aber vielleicht von deinem Album? Stell dir vor, jemand kann nur sehen, nicht hören. Wie sieht dein Album, „Emuna“, als Gemälde aus?
Moses Pelham: Ich bin nicht im Stande, das auf einem anderen Weg zu erklären. Das ist für mich schließlich der Witz an der Musik: Ich kann mit dem Dreiklang aus Musik, geschrieben Wort und Vortrag Dinge greifbar machen – die ich sonst nicht erklären könnte. Ich kann mich auf eine bestimmte Art und Weise ausdrücken und das andere fühlen lassen. Und jeder empfindet das für sich anders. Wenn ich ein Bild beschreiben würde, wäre das falsch.
Was musst du machen, um Musik machen zu können? Spirituell und organisatorisch?
Moses Pelham: Um anzufangen, brauche ich gar nichts. Doch der erste Umriss – wenn mir klar wird, in was für eine Richtung das Stück geht – ist für mich gewaltig. Dieser Moment kann aber überall passieren. Ich hatte die Situation schon in der Diskothek mit mega Krach. Dann sag ich: Ciao, Leute. Ich muss los.
Ich habe mein ganzes Leben so eingerichtet, dass ich alles dieser Tätigkeit unterordne. Meine Freunde verstehen das. Natürlich habe ich aber auch gewisse Rituale: So sitze ich beispielsweise an meinem Schreibtisch, lasse rudimentäre Playbacks laufen und schaue, was passiert.
Du machst seit mehreren Jahrzehnten Musik – was hat sich trotz der Entwicklung, dem Streaming-Zeitalter, an deinen Arbeitsabläufen nicht verändert?
Moses Pelham: Ich habe gar nicht das Gefühl, dass sich wegen der Streamingdienste irgendetwas an meiner Musik verändert hat. Eine Sache möglicherweise schon: die Länge der Tracks. Früher war es für mich unerhört, einen Track unter vier Minuten zu machen. Heute hingegen ist eher so: Bruder, beschränk dich mal! Trotzdem ist es mir nur einmal auf der Platte gelungen, unter drei Minuten zu bleiben. Die CD hat als Medium aber auch Auswirkungen gehabt, wie Künstler ihre Alben machen. Zehn Jahre vorher war das auch ganz anders. Die CD hatte ihre Vorteile, die Streamingdienste aber auch. Die Verfügbarkeit ist super. Ein Sohn von einem Bekannten skippt gerade wieder durch Siebzigerjahre-Musik. Das ist doch toll.
Trotzdem nicht vergessen: Ich mache ja auch eine CD!
In deiner Musik steckt immer sehr viel Gefühl. Wie viele Tränen sind bei der Produktion geflossen?
Moses Pelham: Ich weiß es nicht mehr, aber viele. Für mich ist es das größte Kompliment, wenn Menschen bei mir sitzen und anfangen zu weinen. Viele schämen sich. Dabei ist das doch gar kein Problem. Das ist schließlich kein Entertainment, sondern gewaltiger. Meine Kunst ist unter Tränen empfangen worden.
Du hast in einem Interview mal gesagt, dass es keine Perfektion gibt. Wie findet man dann beim Produzieren ein Ende?
Moses Pelham: Das bezog sich auf mein Streben nach Perfektion. Dinge sind perfekt, wenn sie keine Fehler haben? Das stimmt nicht. Genauso ist es falsch zu glauben, seine Arbeit erst erledigt zu haben, wenn alle Fehler beseitigt sind. Ich habe gemerkt, dass ich mich dabei verrannt und auf falsche Dinge konzentriert habe. Ich habe aber keine Formel dafür, wann ein Track fertig ist. Das sind technische Aspekte – aber vor allem Gefühl.
Jedes Essen braucht eine Prise Salz. Welche Zutat braucht deine Musik – insbesondere dein neues Album?
Moses Pelham: Tränen und Blut.
Wer ist mit „Du“ gemeint – schließlich heißt es in dem Song „..du bist mein Blut“?
Moses Pelham: Das möchte ich dir nicht sagen.
Lala ist bekanntlich deine Muse – Menschen, die sich außerhalb deiner Tracks nicht mit dir auseinandersetzen, wissen das aber vielleicht nicht. Kannst du erklären, wer Lala genau ist?
Moses Pelham: Das möchte ich nicht. Das Erklären dieser Dinge erscheint mir kontraproduktiv. Das ist wie mit dem Begriff Emuna, der sich mir im Kontext erschlossen hat. So wäre es für mich schöner, wenn Lala auf dem gleichen Weg verstanden würde.
Warum hast du dich entschieden, ausgerechnet den sehr traurigen Song „Juli“ von Tex zu covern?
Moses Pelham: „Weil er mir gefällt“, klingt so flapsig. Aber ich halte ihn für einen der wunderbarsten Stücke, die ich in deutscher Sprache je gehört habe. Er begleitet mich schon eine lange Zeit. Weil es sich richtig angefühlt hat und mir Freude bereitet hat.
„Man soll dahin gehen, wo es am schönsten ist“ – das Songzitat in „ÄÄÄ!!!111“ stammt aus den Känguru-Apokryphen. Wo soll es denn hingehen – Frankfurt?
Moses Pelham: Ich bin totaler Känguru-Chroniken-Fan! Aber ich möchte mich in diesem Zusammenhang selbst zitieren: „Das Paradies ist gar kein Ort, sondern ein Zustand.“
Foto: MOSES PELHAM Sony Music
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