NOIZZ.de: Mittlerweile bedienen sich viele deutsche Serien an dem Erfolgsrezept der krediblen Besetzung. Aber wer hat die beste Besetzung? Eine Serie mit vielen Rappern ist noch lange keine gute Gangsterserie. Hier kommt der ultimative Vergleich:.
Seit dem 8. Mai 2017 erobern Deutschrapper nicht mehr nur die Charts oder die Straßen – sondern auch die Streamingdienste des Landes. An diesem Tag war Veysel das erste Mal als Abbas Hamady bei TNT Serie zu sehen. Er ist neben Massiv und Gringo einer von vielen Rappern, der in der Kultserie „4 Blocks“ sein darstellerisches Talent unter Beweis stellt.
Was ihn so gut macht? Er wirkt authentisch. Um das zu können, sollte man eine gewisse Street Credibility besitzen – und die kann kein Schauspieler mal eben erlernen. Dass Rapper sich am besten selbst spielen, hat schon vor Jahren Eminem in „8 Mile“ und 50 Cent in „Get Rich Or Die Tryin'“ bewiesen – und auch Sido und B-Tight sind in „Blutzbrüdaz“ in ihre eigenen Rollen geschlüpft. Nach Filmen folgen jetzt Serien mit Rappern – die nicht immer nur als Musiker, sondern meist als Gangster zu sehen sind. „4 Blocks“ heimste dafür 2018 sogar dem ehrwürdigen Grimme-Preis ein und setzte unübersehbar einen Trend.
Andere deutsche Serien bedienen sich nun ebenfalls an dem Erfolgsrezept der krediblen Besetzung. Ende 2018 folgte die internationale Netflix-Produktion „Dogs of Berlin“, im September dann die Serie über das fiktive Musiklabel „Skylines“. In allen drei Serien ergattern gleich mehrere Rapper Neben- oder sogar Hauptrollen.
Aber wer hat die beste Besetzung? Welche Serie ist wirklich „real“, welche bedient sich lediglich an Klischees? Eine Serie mit vielen Rappern ist noch lange keine gute Gangsterserie. Hier kommt der ultimative Vergleich:
Welche Rapper spielen wo mit – und wer hat wirklich Gangster-Attitüde?
„4 Blocks“ umfasst mittlerweile zwei Staffeln, bald soll die dritte folgen. Als Rapper vertreten sind dabei Veysel, Massiv – auch Gringo ist zu sehen und liefert mit Hasan K sogar den passenden Soundtrack „Nb4“. Später folgen Gzuz und Eunique. Sie müssen ihr darstellerisches Talent unter Beweis stellen, laufen meist nicht einfach nur durch den Hintergrund. Während Eunique eine Rapperin, also quasi sich selbst spielt, verdienen ihre Serien-Kollegen mit Drogen die fette Kohle. Das Rap-Business ist nebensächlich. In der ersten Staffel dichtet Issam (Emilio Sakraya) ein paar Lines im Park und Veysel dreht seine eigenen Songs im Auto laut auf. Ansonsten wird wenig Hip-Hop geboten.
Anders bei „Skylines“. Ganze neun Rapperinnen und Rapper tauchen nach und nach in der ersten Staffel der Frankfurt-Serie auf. In nur sechs Folgen bekommt man fast die ganze Modus-Mio-Playlist zu sehen: Azad, Azzi Memo, Olexesh, Nura, Nimo, Miss Platnum, Celo und Abdi und MC Bogy. Bis auf Murathan Muslu, der selbst früher gerappt hat, sind das allerdings nur kleine Nebenrollen. In der Serie geht es darum, wer nun Rapper und wer Gangster ist. Der Unterschied: Die einen sind für ihre Musik bekannt, die anderen für kriminelle Geschäfte. Kalifa (Murathan Muslu) scheint beides zu sein. Ob er in Staffel zwei die Rolle des Gangsters ablegt, bleibt spannend.
In „Dogs of Berlin“ sind der Essener Rapper Sinan-G und sein Stuttgarter Kollege Yonii zu sehen. Sinan-G spielt den Bösewicht, fällt aber nicht durch sein Können auf – sondern viel eher durch seinen Bart, der für viele Zuschauer total fake aussieht. Sie spielen die typischen kriminellen Gangster, die vor nichts zurückschrecken und jeden abknallen, der nicht schnell genug zum Habibi wird.
Dass Dogs of Berlin viele enttäuscht hat, haben wir bereits aufgeschrieben und muss hier nicht wiederholt werden. Doch in Sachen Rap-Besetzung sollte doch noch mal etwas gesagt werden: Wenn im Namen der Serie das Wort „Berlin“ vorkommt, dann sollte man Rapper aus Berlin vor die Kamera packen – und keine Schwaben. Leider wirken Sinan-G und Yonii gar nicht wie richtige Gangster. Trotz ihrer Street Credibility sind sie irgendwie verkrampft, alles scheint auswendig gelernt. Generell sieht man in der Serie mehr Hunde statt richtige Gangster. Für die nächste Staffel: lieber Mc Bogy anstatt den fünften Beagle!
Der deutsche Rapper ist mittlerweile Moderator von „Yo MTV Raps“ und spielt in „Skylines“ sich selbst. Er hockt auf der Couch im Studio und interviewt Kalifa, Murathan Muslu. Der Typ mit den Gesichtstattoos wirkt einfach sympathisch, da kann man nicht viel falsch machen. Anders Nimo, Olexesh und Co.: Ihre Darbietung wirkt eher gestellt. Man merkt deutliche Unterschiede zwischen den gelernten Schauspielern. Es gilt: Weniger ist mehr. Eine ultimative Deutschrap-Besetzung macht eine Gangster-Serie nicht gleich erfolgreich.
Es wirkt, als hätten allein die Regisseure von „4 Blocks“ verstanden, wie man Rappern Schauspiel beibringt: nämlich gar nicht. Sie sollen einfach sie selbst sein, es wird improvisiert. So wirkt nichts gestellt, sondern authentisch – genau das, was den anderen beiden Serien fehlt. So entstehen legendäre Szenen: Veysel, der Dürüm verschlingend am Tisch sitzt, Gzuz, der mit bedrohlichem Blick durch den Knast schleicht und Massiv, der mit breiten Oberarmen Geschäfte regelt. Alle Gangster wirken real. Sie selbst haben ihre Szenen schon durchlebt – Knast, Drogen, Deals. In Staffel eins wird „4 Blocks“ genau dafür gelobt. Kritiker meinen, dass die Kredibilität in der zweiten Staffel allerdings etwas abschwächt.
Spannende Crimestory oder Hunde-Doku?
Eigentlich behandelt allein „Skylines“ das Rap-Geschäft: ein Musiklabel in Frankfurt, das Hits rausballern will – stattdessen aber mit Drogen, Familienproblemen und der Vergangenheit zu kämpfen hat. Die Serie punktet mit Musik. So sind auch Tracks zu hören, die bisher unbekannt sind. Sie stammen vom Produzenten Ben Bazzazian, der auch für Haftbefehl, K.I.Z und Marsimoto produziert.
Zugegeben, gerade der Titelsong „069“ von Haftbefehl ist schon etwas älter, der Rest ein Manifest. Die Story ist etwa das, was „Dogs of Berlin“ versucht hat: ein Gemisch aus deutschem „Tatort“ und modernem Krimi mit Gangsterattitüde. Bis auf einzelne Szenen ganz gelungen. Zumindest will man wissen, wie es weitergeht.
„Dogs of Berlin“ hat wohl die krasseste Promo von allen drei Serien gehabt: Riesige Plakate, deutsche Top-Schauspieler und sogar Straßenbahnen zierten das rote Logo. Die Serie gleicht aber einem Chihuahua: große Klappe, nichts dahinter. „4 Blocks“ sind hingegen die Pitbulls mit Maulkorb: Sie zeigen Neukölln, wie es wirklich ist: unverschont, dreckig, ehrlich und doch irgendwie reizvoll. Ein Gangsterviertel, mit Baklava-Shops.
Der Fokus liegt auf der Clan-Kriminalität. „4 Blocks“ ist dabei der klare Seriensieger, nicht nur in Sachen Preisverleihungen. Auf Instagram hat die Gangsta-Dramaserie von TNT 83.400 Follower. „Dogs of Berlin“ gerade mal 16.700. Im Vergleich dazu: „Skylines“, nicht mal mehr einen Monat alt, hat mit 11.000 schon über die Hälfte.
Foto: KIDA KHODR RAMADAN IN „4 BLOCKS“ // TNT Comedy | TNT Serie | TNT Film / YouTube
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