fudder.de/BZ: Über eine halbe Million Mal wurden seine Youtube-Videos geklickt. Dabei hat Krime noch nicht mal eine Platte veröffentlicht. Doch der 17-jährige Freiburger aus dem Stadtteil Weingarten wirkt schon so, als gehöre er zu Deutschlands Rap-Elite.
Es ist ein warmer Nachmittag, fünf nach Vier. Hier, in einem der Hochhäuser der Bugginger Straße, wohnt der Rapper Krime. Treffpunkt für das Interview ist vor dem Imbiss Milan. Krime biegt rechts um die Ecke, er ist in einen seiner acht Sportanzüge geschlüpft. Heute ist es der schwarze von Nike. Darunter trägt er ein Shirt von Rapper Bushido. Die Bauchtasche liegt locker um seine Schulter. Seine Haare sind an der Seite kürzer rasiert, die Augen eisblau. Trotz seines grimmigen Blicks wirkt er freundlich.
„Entschuldigen Sie bitte die Verspätung“, sagt er und streckt die Hand zur Begrüßung entgegen. Krime wird von seinem Freund Mohammed Hamudi begleitet. „Wo wollen wir hin?“, fragt Krime und nickt in Richtung der Wohnblöcke. Er möchte seine Gegend zeigen. Die Gegend, in der die Geschichten seiner Texte entstehen.
Er spittet die Reime mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit
Krime schlendert rechts am Imbiss vorbei. Hier, in der Bugginger und Krozinger Straße, wurden auch die Videos gedreht, durch die der Halb-Pole bekannt geworden ist: Er sitzt dabei in Russenhocke auf Autos, zündet Stichflammen, fuchtelt beim Rappen mit den Armen, zeigt den Mittelfinger in die Kamera und klopft mit der Hand auf seine linke Brust. Mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit spittet er seine Reime und erinnert dabei an Deutschrapper Olexesh – einer seiner Vorbilder. Im Hintergrund: eine knapp 20-köpfige Jungsgruppe und Plattenbau.
Krime zeigt mit dem Finger auf eines der Hochhäuser: „Da wohne ich“, sagt er, „wir sind häufig umgezogen, es gab viele Familienprobleme, dies, das.“ Krime ist in Freiburg geboren, wächst in verschiedenen Städten in Polen auf, kommt wieder nach Deutschland, wohnt unter anderem zwei Jahre in der Flüchtlingsunterbringung am Runzmattenweg. Seit 2009 lebt er mit seiner Schwester und seiner Mutter in Weingarten. „Die Zwei und mein Vater sind das Wichtigste für mich. Wenn ich mit Rap Geld verdiene, möchte ich für sie sorgen“, sagt er. Sein Vater wohnt in Warschau, den Kontakt zu ihm pflegt er.
Stress gibt’s mit der Polizei, aber vor allem in der Schule
Wirklich wahre Freunde hat Krime wenige, Hamudi zählt er aber dazu. Sein Kumpel läuft neben ihm her und zeigt auf ein paar Plätze, wo er und Krime gelegentlich abhängen. Manchmal auch vor dem Rewe-Supermarkt. „Direkt nebendran ist aber die Polizeiwache“, sagt er. Stress mit der Polizei hatte Krime schon häufiger – aber nie wegen Drogen oder sonstigen Rauschmitteln. „Trinken Sie Alkohol?“, fragt er. „Also ich brauche das nicht.“
Wenn es Stress gibt, dann hat das meistens mit der Schule zu tun. „Ich bin ein Sturkopf“, sagt Krime. Auf der Staudinger-Gesamtschule darf er im neunten Schuljahr die letzten drei Monate vor den Sommerferien nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Seinen Hauptschulabschluss macht er dennoch. „Im vergangenen Jahr habe ich dann ein Berufseinstiegsjahr auf der Friedrich Weinbrenner gemacht“, erzählt er, „hat aber nicht gepasst.“
Anerkennung durch Rap – das ist ihm wichtig
Dennoch erfährt er dort das erste Mal Respekt von einem Erwachsenen für seine Musik: Seine Deutschlehrerin verteilt seine Texte in der Klasse. „Sie hat sich voll gefreut, dass in der Klasse so ein Rapper ist“, sagt er. Das hat ihn stolz gemacht. Anerkennung ist ihm sehr wichtig – und durch Rap bekommt er davon genug.
Ein Stück weiter die Bugginger Straße entlang bleibt Krime stehen. „Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen zeigen, wo ich meine Musik mache“, sagt er und nickt mit dem Kopf in Richtung des Kinder- und Jugendzentrums. „Jugi“ nennen sie das. Hinter einer alten Holztüre ist ein kleines Studio. Krime bleibt stehen, einen Schlüssel hat er nicht.
„Also dahinter entstehen halt meine Tracks“, sagt er, „es ist sehr klein und stickig, man schwitzt schnell. Aber es ist ein Baba-Gefühl dort drinnen Musik zu machen. Da sind nur ich, zwei Boxen und der Beat“, sagt Krime. „Baba“ bedeutet in dem Kontext so viel wie „großartig“ und „ehrenvoll“ – ein Wort, das er häufig benutzt.
Wenn der 17-Jährige vom Rap erzählt, schwindet sein ernster Blick. Vor fünf Jahren hat er angefangen, Musik zu machen. Seit knapp drei Jahren produziert er hier in dem kleinen Studio seine eigenen Tracks. Es ist ein Ort, an dem er seine Probleme verarbeiten kann. „Mit Rap kann man schließlich viel ausdrücken“, sagt er. „Aber schade, dass das Studio nicht offen ist, ich hätte Ihnen das gerne gezeigt“. Er läuft weiter um den Block, die Bugginger Straße entlang, und erzählt, wie er zum Rap gekommen ist.
Das erste Mixtape erscheint im Januar
Früher haben ihn die amerikanischen Rapper inspiriert: Eminem und 50 Cent. „Heute mache ich einfach nur mein eigenes Ding“, sagt er. Genau das scheint zu funktionieren. Sein Kumpel Caleb schreibt den bekannten Deutschrapper Hanybal auf Instagram an und schickt ihm ein Video von Krime.
Hanybal ist begeistert und bietet Krime die Möglichkeit, ein Video zu drehen, das auf dem Kanal von 385-ideal erscheinen soll. Es ist das Label, das auch die Deutschrap-Hochkaräter Olexesh, Nimo und Celo & Abdi unter Vertrag hat. Auf Youtube posten sie unter dem Format „Von der Straße in die Charts“ Videos von neuen, talentierten Künstlern.
So auch Krime. Sein gleichnamiges Video wurde in einem halben Jahr knapp 560.000 Mal aufgerufen. Er wird von Hanybal nach Frankfurt eingeladen und darf seine ersten Tracks im Studio von 385-ideal aufnehmen. Im Januar soll sein erstes Mixtape erscheinen.
Krime biegt um die Ecke, steht wieder vor dem Imbiss Milan an der Haltestelle der Bugginger Straße. „Das war so meine kleine Gegend“, sagt er. Wenn seine erste Platte rauskommt, wird er auch über Weingarten rappen. „Die Platte soll mich dann schließlich widerspiegeln. Man soll wissen, wer ich bin“, sagt Krime. „Ich bin einfach ein Junge aus dem Block.“
Foto: Laura Wolfert
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