fudder.de/BZ: Wincent Weiss hat am Montag beim Freiburger ZMF selbst HipHop-Herzen höherschlagen lassen. Der 25-Jährige spielte ein Konzert im ausverkauften Zirkuszelt. Ich war dabei!

Ein kleines Mädchen in silber-glitzernden Sandalen lehnt sich mit dem Kopf an seine Mutter. Doch dann erklingt der erste Ton, 2000 junge Frauen kreischen – es geht los! Das Mädchen blickt auf, streckt sich und versucht mit aller Mühe über die Köpfe der Zuschauer zu blicken.

Wincent Weiss schreitet auf die Bühne. Er lächelt, seine Zähne sind so weiß wie seine Sneakers. Er schließt die Augen, umfasst mit seiner rechten Hand das Mikrofon – wie den Kopf der Liebsten, kurz vor einem Kuss. „Mein Herz war mit Zement bedeckt. Hast es befreit, wiederbelebt. Mein Betonherz bebt“, singt Weiss. Ob er jedes Betonherz an diesem Abend zum Schmelzen bringt, ist fraglich. Ein paar der Zuschauer, Begleitpersonen, scheinen noch wenig beeindruckt von der Gefühlsdudelei des deutschen Popstars. Noch.

Ein breites Lächeln, ein junges, glattrasiertes Gesicht, gefühlvolle Melodien und einfache Texte

„Ich bin immer noch der Junge aus den alten Geschichten.“ So beschreibt sich Wincent Weiß selbst. Der heute 25-Jährige aus Schleswig-Holstein bewirbt sich 2013 bei der RTL-Gesangs-Castings-Show „Deutschland sucht den Superstar“ – schafft es aber nur unter die Top 29. Doch zwei Jahre später werden die DJs „Gestört aber Geil“ auf seine Coverversion des Liedes „Unter meiner Haut“ von Elif Demirezer aufmerksam. Der Remix landet im Juli 2015 in den deutschen Single-Charts und wird sogar mit Platin ausgezeichnet.

Mittlerweile hat es Weiss geschafft, sich neben Sängern wie Clueso, Max Giesinger und Tim Bendzko in der deutschen Pop-Industrie zu etablieren. Dabei beweist er, dass das Erfolgsrezept manchmal ganz simpel sein kann: Ein breites Lächeln, ein junges, glattrasiertes Gesicht, gefühlvolle Melodien und einfache Texte. „Feuerwerk“ „Regenbogen“, „Frische Luft“ – mehr Wörter braucht es nicht, um die Refrains seines ersten Albums „Irgendwas gegen die Stille“ mitsingen zu können.

Das Publikum ist jung und überwiegend weiblich

Auch das Mädchen neben seiner Mama weiß genau, an welchen Stellen der Lieder sie ihr Smartphone zücken muss. Sie heißt Joya. „Ich habe das Konzert zu meinem Geburtstag bekommen. Im März bin ich zwölf geworden“, sagt sie. Joya ist aber nicht das einzige junge Mädchen, dass ihre Hände zu Herzen geformt in die Höhe hält. Weiss hat ein sehr junges und überwiegend weibliches Publikum. Vereinzelt finden sich aber auch männliche Fans: „Ich habe das Konzert von meiner Freundin zu Weihnachten geschenkt bekommen“, sagt Deywid, ein junger Mann Anfang 20. „Ich war vor zwei Jahren bei den deutschen Straßenrappern Shindy und Bushido in Freiburg. Ehrlich? Wincent geht mehr ab!“.

Weiss versucht alles, um jeden Besucher im Zirkuszelt für sich zu gewinnen. So hält ihn niemand davon ab, bei „Mittendrin“ in das Publikum zu steigen und sich einmal quer durch die Masse zu quetschen. Bei einem älteren Mann, die Arme verschränkt, bleibt er stehen – doch wer sich so viel Mühe gibt, die Töchter zu beeindrucken, hat auch die Väter auf seiner Seite. Der Mann lächelt. Selbst die HipHop-Fans hat er nach dem Intro zu „Unter meiner Haut“ mit der Melodie von Eminems „Till I Collapse“ in seinen Bann gezogen.

Nichts zu kritisieren

Weiss, der Charmeur, spiegelt den Jungen wider, in dem man sich damals in der fünften Klasse, so doll verknallt hat. Doch wie damals trägt man eine rosarote Brille: Feuer-Explosionen, Konfetti, weiße Ballons und Strobo-Licht lenken von Fehlern ab: Hohe Töne klingen oftmals schräg und auch auf das Cover zu dem Deutschrap-Track „Ahnma“ der Beginner mit Straßenrapper Gzuz hätte er verzichten können.

Doch auch, wenn man die Pop-Balladen von Weiss kritisiert, weil sie wenig Vielfalt bieten, gibt es nichts an seinem Einsatz und der Show zu kritisieren. Auch Joya und ihrer Mutter scheinen begeistert zu sein. „War super!“, sagt Joya – mit einem Grinsen über beide Backen, bei der ihre Zahnspange hervor blitzt. Und spätestens jetzt scheint jedes Betonherz gebrochen.

Foto: Wincent Weiss Pressebilder 2017
Copyright: Sascha Wernicke / Vertigo Berlin

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