fudder.de/BZ: Hose runter! Das Blog Mimi&Käthe berichtet über Sex und Pornographie – allerdings anders als das typische Frauenmagazin. Mimi Erhardt hat mit uns über dreckigen Sex, Scham und ihr neues Buch „Erlebnispornographie“ gesprochen.

Ist Mimi&Käthe wie das provokative HipHop-Duo SXTN – nur als Blog? Auch ihr sprecht über Themen, die bisher tabu waren und bekommt dafür großes Ansehen.

Mimi Erhardt: Das ist ein netter Vergleich. Als wir 2013 angefangen haben, waren wir der erste deutschsprachige, journalistische Blog, der Themen wie Sex und Pornografie in aller Deutlichkeit aufgegriffen hat. Ich empfinde das tatsächlich als „revolutionär“. Andere Blogs, die heute Themen wie Sex oder Aufklärung behandeln, kamen alle nach uns.

Was an Mimi&Käthe neu war: Wir haben Themen angepackt haben, die sonst hauptsächlich in Frauenzeitschriften besprochen werden. Und dort komplett runtergebrochen werden auf eine Art von Sexualität, die es meiner Meinung nach gar nicht gibt: super safe, alle sind schön, alle duften super. So ist Sex doch aber nicht: Sex, vor allem guter, ist dreckig und wild und selten ästhetisch zufriedenstellend.

Sogenannte Frauenmagazine haben natürlich andere Jugendschutz-Vorgaben als wir und können gar nicht so schreiben, wie wir das im Blog können. Obwohl auch wir ein FSK16-Blog sind und bei weitem keine unbegrenzte Freiheit in der Darstellung unserer Themen haben. Dennoch haben wir die Themen, gerade Pornothemen – im Rahmen unserer legalen Möglichkeiten – anders angepackt und das mit einem journalistischen Anspruch verknüpft. Ich selbst bin seit 18 Jahren freie Redakteurin und Journalistin und seit über zehn Jahren als Autorin in der deutschen Porno-Szene unterwegs.

Viele Magazine greifen das Thema Sex immer häufiger auf. Wieso hat das so viel Erfolg?

Mimi Erhardt: Weil wir alle Sex haben, guten Sex haben wollen und gut im Bett sein möchten. Dieses Interesse kommt aus einer ganz großen Unsicherheit heraus. Sex hat in erster Linie damit zu tun, wie du dich, deinen Körper und deine Sexualität wahrnimmst. Das sind aber alles Dinge, die mit einer ganz großen Scham zu tun haben.

„Da wir gut im Bett sein wollen, aber unsicher sind, suchen wir Rat.“
Mimi Erhardt

Meistens kannst du es auch erst dann genießen, wenn du mit deinem Körper cool bist, sonst wirst du dich immer irgendwie unsicher fühlen, sei es wegen kleiner Röllchen oder deiner Körperbehaarung. Da wir gut im Bett sein wollen, aber unsicher sind, suchen wir Rat. Wir wollen wissen, wie das andere machen, lernen, wie wir selbstbewusster agieren können. Ich glaube nicht, dass die Themen auf Grund eines „Geilheitsgefühls“ so viel Erfolg haben. Gar nicht. Viel eher, dass einem die Unsicherheit dadurch genommen wird, dass jemand die gleichen „Probleme“ hat. Das kann ermutigen.

Inwiefern hilft euer Blog dabei, Lesern diese Unsicherheit zu nehmen?

Mimi Erhardt: Unsere meist kolumnenartigen, immer sehr persönlichen Texte werden von Autorinnen und Autoren geschrieben, die häufig ihre Hose runterlassen. Dadurch offenbaren sie große Unsicherheiten. Das ist genau das, was die Leser an Mimi&Käthe lieben. Wir hatten einen Text über eine junge Frau, die sich als prüde empfand. Die irgendwie keine Lust auf Sex hatte. Jedenfalls nicht so, wie andere junge Frauen in den Medien den Anschein machen. Das Feedback auf diesen Post war enorm, viele Leser schrieben uns, sie hätten sich in diesem Text wiedergefunden.

Und genau darum geht es bei Mimi&Käthe – sich in unseren Texten wiederzufinden und zu merken: Ich bin nicht „unnormal“. Bestimmte Probleme müssen einfach mal an- und ausgesprochen werden. Du gehst schließlich eher seltener zu einer Freundin und sagst: „Hey, ich bin noch nie gekommen.“ Und das gibt es wiederum bei unserem Blog. Doch es geht nicht nur um Problemdarstellung, sondern wir geben auch Tipps, was man machen kann, um zufriedener, glücklicher zu werden – sei es beim Sex, in der Beziehung oder bei persönlichen Problemen. Diese Mischung kommt sehr gut an.

Ihr habt ein Buch veröffentlicht, das wie euer Blog „Erlebnispornographie“ heißt. Inwiefern unterscheidet sich dieser Begriff von „Sex“?

Mimi Erhardt: Wir haben das Buch geschrieben, mit dem Hintergrund, dass du das, was du in Pornos siehst, für dein eigenes Sexleben adaptieren kannst. Der Gedanke des Buches ist, beides zu verbinden. Wenn Leute Pornos sehen, denken sie, dass sie das ganz einfach nachmachen können. Dabei sind Pornos „Actionfilme“. Viele Sachen sehen super einfach aus, sind aber eigentlich wahnsinnig aufwendig und nicht selten riskant für deinen Körper und deine Gesundheit. Mit diesem Buch wollten wir aufklären – aber auch Tipps geben.

Ein Artikel von euch heißt „Nackt, verliebt, verkatert“. Ist das etwas, was man 2018 häufiger machen sollte?“

Mimi Erhardt: Absolut. Natürlich nicht immer verkatert. Aber man sollte mit seinem Herz-Menschen mehr Zeit verbringen. Was man 2018 unbedingt sonst noch machen sollte: Wenn du merkst, dass du mit etwas nicht cool bist – versuch herauszufinden, was es ist. Probiere Neues aus, rede darüber, sei offener. Mach das, worauf du Lust hast.

Info:

Mimi Erhardt hat mit Anfang 20 angefangen, neben dem Studium als freie Journalistin zu arbeiten. Anfangs schreibt sie noch über Musik – unter anderem für ein Magazin, dessen Chef-Redakteur auch der Chef-Redakteur von „Happy Weekend“ war, lange Zeit eines der erfolgreichsten deutschen Pornomagazine. Mit Mitte 20 fängt Mimi an, sich für Pornos zu interessieren und besucht das erste Mal für einen Artikel einen Dreh. Es folgen erste Jobs als Autorin in der Pornoszene, zum Beispiel wird sie Ghost-Bloggerin für eine rumänische Darstellerin, schreibt später unter anderem für VICE.com und das Jungsheft. 2013 folgte dann ihr Blog Mimi&Käthe, den die heute 39-Jährige gemeinsam mit ihrem Team aus freien Autorinnen und Autpren und Fotografinnen und Fotografen führt.

Blog: http://mimiundkaethe.com
Facebook: https://www.facebook.com/mimiundkaethe

Foto: Sarahlikesprettygirls

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