fudder.de/BZ: Influencer sind die Stars der Gegenwart. Den Lebensunterhalt damit zu bestreiten, Fotos aus seinem Alltag auf Instagram zu posten, erscheint vielen wie ein Traum. Doch wie viel Arbeit steck dahinter? fudder-Autorin Laura hat den Selbstversuch gewagt.

Was passiert, wenn man versucht, das eigene Leben so aussehen zu lassen, wie das von Caro Daur, Pamela Reif und Co.? Ich habe es einen Tag lang ausprobiert – und das Ergebnis schriftlich und natürlich auf Instagram festgehalten.

#wokeuplikethis, logisch

Das Erste, was Influencer machen: der Welt zeigen, wie schön sie sind. Und zwar schon bevor sie nur einen Schritt aus dem Bett gewagt haben. Verstrubbelte Haare, Schlaf-Falten im Gesicht oder Augenringe sucht man aber vergebens: Influencer sehen so schön aus wie Schneewittchen nach ihrem Jahrhundertschlaf. Nur ich nicht. Deshalb hüpfe ich zuerst aus dem Bett, pudere mein Gesicht und schnappe mir Prada, meine zehn Jahre alte Chihuahua-Dame.

Dann lege ich mich wieder hin. Ich rufe meine Mutter, sie soll ein Foto machen. Sie macht zehn. Ich bin nicht zufrieden. Sie macht ein elftes. Ich bearbeite es. Danach stehe ich offiziell auf. Offiziell bedeutet: Nun weiß es auch die Instagram-Welt, die ich mit meiner Story auf dem Laufenden halte. Dafür muss ich ständig das Handy vor mein Gesicht halten und mit mir selbst reden. Weil ich nie zufrieden bin, dauert es zehn Minuten, bis ich mein erstes Video gepostet habe. Es ist unangenehm, mich mit mir selbst zu konfrontieren. Besonders so früh morgens, wenn man eigentlich den Spiegel lieber meiden möchte.

#Superfoods für ein Superfrühstück

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Influencer essen Superfoods. Das ist Essen, das komisch klingt, aber gut für den Körper sein soll. Wie Chiasamen. Über Nacht in Milch eingeweicht, sehen sie morgens aus wie eine Schüssel voller Kaulquappen, aber mit legendär vielen Proteinen. Ich hole den fertig zubereiteten Chia-Pudding aus dem Kühlschrank, koche mir ein Ei, zermatsche eine Avocado und schmiere sie auf eine Scheibe Eiweißbrot. Dann versuche ich vergeblich, den Kaffee wie ein Barista einzuschenken. Nur mein grüner Hulk-Smoothie aus Äpfeln, Spinat, Ingwer und Gurke sieht gut und gesund aus.

Ich sitze im Schneidersitz auf meinem Bett und habe ein Stehtablett mit dem Frühstück vor mir. Ich versuche, ein Foto von oben zu machen. Meine Beine soll man sehen, aber nicht zu viel. Und das Essen natürlich auch. Nur meinen Bauch möchte ich verstecken. Also drücke ich meinen Rücken und Kopf an die Wand und halte mein Handy hoch, nah an meinen Körper. Krampfig. Nach fünf Minuten bin ich zufrieden: Das Bild spiegelt den perfekten Morgen wider. Nur ein Modemagazin als Influencer-Lektüre habe ich vergessen. Und Woll-Overknees.

#followmeto the Mittagspause

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Eines der beliebtesten Motive auf Instagram: Ein Foto, auf dem das Mädchen die Hand ihres Freundes hält und ihn mitzieht. Den Trend setzte der Fotograf Murad Osmann. Er ließ sich von seiner Freundin durch die Welt führen und postete an verschiedenen, wunderschönen Orten immer wieder das gleiche Foto mit dem Hashtag „followmeto”. Seitdem gibt es tausende Nachmacher. Furchtbar kitschig. Mitten im Januar gibt es in Freiburg keinen wunderschönen Ort, an den ich meinen nicht vorhandenen Freund hinziehen könnte. Kein Meer, kein Strand, nur Münster und die KaJo. Für das Foto muss also die Redaktion reichen. Als Freund posiert ein Arbeitskollege. Er lehnt sich nach hinten, ich ziehe seine Hand nach vorne, er macht ein Foto. Fertig. Dann ziehe ich ihn in die Mittagspause.

Ein #chailatte am Mittag

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Influencer trinken gerne fotogene Getränke: Cappuccino mit Milchblumenmuster etwa, Matchatee oder Chai-Latte. Chai ist, ganz wichtig, nicht mit Chia zu verwechseln, sondern ein Getränk aus Schwarztee, Gewürzen und Milch. Haben erst die Hippies getrunken, jetzt die Hipster. Es schmeckt süß und scharf zugleich. Den besten Chai-Latte in Freiburg gibt es in einem Café im Sedanquartier. Natürlich mache ich ein Foto. Dafür verrücke ich Blumen und Deko auf dem Tisch, niemand schaut mich komisch an. Essen und Trinken zu fotografieren, scheint in der Gesellschaft normal zu sein.

Gut Aussehen im #ootd

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Kein Influencer-Tag ohne ein Outfit-of-the-day-Pic, ein Ganzkörperfoto von seinem Tages-Outfit, das mit #OOTD angekündigt wird. Häufig zu sehen sind dabei Levis-Shirts, Uhren, enge Halsbänder namens Choker, Hosen mit Löchern und darunterliegende Netzstrumpfhosen, die bis zum Bauchnabelpiercing hochgezogen sind.

Auch hier muss mir wieder ein Arbeitskollege helfen. Mir wird klar: Die wahren Helden hinter den inszenierten Bildern der Influencer sind nicht die Influencer selbst – sondern die armen Influencer-Fotografen, die ständig Fotos und Videos machen müssen. Das nervt. Außerdem mag ich mich selbst schon nicht mehr sehen und reden hören. Mein Handy musste ich auch schon ein zweites Mal laden, weil durch das ständige Fotografieren und Videos machen der Akku leer ist.

Gut für das Selbstbewusstsein ist so ein Influencer-Day auch nicht: Denn um ein schönes Foto von sich zu posten, muss man zehn Mal so viele löschen, auf denen man sich nicht gefällt. Wenn man anderen zeigen will, wie gut es einem geht und wie toll das eigene Leben ist, muss man nicht nur viele Fotos machen, sondern auch viel faken.

Das #MirrorSelfie für die #fitfam

Fit is the new skinny. Also quetsche ich mich in einen Sport-BH und in die neu gekauften Sport-Leggings. Ich ziehe sie bis kurz unter meinen Bauchnabel, damit man die kleinen Speckröllchen an der Seite nicht sieht. Ich stehe auf Zehenspitzen vor dem Spiegel und möchte ein Foto von mir schießen, auf dem ich sportlich aussehe und entspannt gucke – schwierig. Das eine Bein strecke ich nach vorne, den Po zur Seite. Dann drehe ich meinen Oberkörper in die andere Richtung, damit mein Bauch schmaler aussieht.

Immer wieder schieße ich ein Foto. Ab und zu falle ich zur Seite, weil ich nicht so lange die Luft anhalten oder auf Zehenspitzen stehen kann. Nach einer halben Stunde habe ich 47 gleiche Bilder in meiner Galerie. Eins davon bearbeite ich mit viel Kontrast, Helligkeit und Sättigung. Man könnte meinen, ich hätte so etwas wie Bauchmuskeln – ich bin zufrieden.

Ohne #Sponsoredpost kein Influencen

Das Problem an meinem Selbstversuch: Ich kann gar nichts influencen. Nach Berechnung auf inkifi.com würde ich mit meinen 500 Followern auf Instagram gerade mal 2,74 Euro pro Post verdienen. Deutschlands erfolgreichste Influencerin Pamela Reif (@pamela_rf) erhält bei 3,3 Millionen Followern nach Schätzungen pro Werbeposting bis zu 40 000 Euro. Pamela ist damit knapp fünfzehntausend Mal mehr Wert als ich. Das bedeutet, ich muss an meinem Instagram-Image arbeiten: mehr Avocado-Brote, mehr Fotos von mir beim Fitness, mehr Chia, mehr Chai. Denn Firmen wollen ein Werbegesicht, das bewundert und beneidet wird. Doch so zu tun, als sei das Leben einfach, ist anstrengend. Weil ich meine Influencer-Klischee-Liste halbwegs erfüllen möchte, gehe ich shoppen. Im einem Conceptstore am Augustinerplatz hängen Klamotten, die für ein Outfit-of-the-day-Foto angemessen wären. Doch der Haul bleibt aus. Als Nicht-Influencerin und Pro-Studentin habe ich dafür kein Geld. Auch Sushi, das Social-Media-Stars so gerne essen, gibt’s für mich nicht. Immerhin habe ich noch mein Avocadobrot im Kühlschrank.

Foto: Laura Wolfert, Bernhard Amelung
Video: Insta-Story – Laura Wolfert, Schnitt YouTube-Video: Felix Klingel

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