fudder.de: Beleidigungen, Bier aus Schläuchen, Bongzimmer: Das abgesagte Konzert des Rap-Duos SXTN vom Oktober wurde am Mittwoch nachgeholt. Jetzt wollen Nura und Juju nach Freiburg ziehen.

Die Stage

Dunkelblaues Licht beleuchtet den Qualm von Zigaretten und Rauchnebelwolken. Handykameras blitzen auf, Mädchen kreischen. Eine Kinderstimme schallt aus den Boxen: „Eins, Zwei, SXTN kommt vorbei“. Schneller und schneller. Dann geht das Licht an, weiße Scheinwerfer richten sich auf Nura und Juju, die auf die Bühne kommen.

„Jetzt sind die Fotzen wieder da“, brüllen sie in das Mikrofon, strecken die Zunge raus und twerken mit ihren Pos hoch und runter. Der Bass dröhnt, pulsiert auf der Haut und das Geschrei der Crowd trillert im Ohr. Fans strecken ihr Hand nach vorne, wollen SXTN anfassen, ihren rote Rosen und Schokolade schenken. „Ist da Gras drin?“, fragt Nura. „Nö? Oh. Schade. Aber danke“.

Hinter der Bühne ist ein roter Banner befestigt, auf dem „SXTN“ in weißen Buchstaben und die Gesichter des Duos abgebildet sind. Gleiche Papp-Köpfe stehen auf der Bühne, daneben zwei Campingsessel.

Die Crowd

Der Großteil weiblich, unter 20 Jahre. Gängiges Outfit: dunkler Lippenstift, Leggings und Nikes. Drei Mädchen haben BHs über ihre Fan-Shirts gezogen. Diese werden bei dem Song „Ausziehen“ üblicherweise auf die Bühne geworfen. Rote, schwarze, mit und ohne Spitze, hängen bereits an den Pappfiguren und am Mikrofonständer. „Deko“, nennt das Nura.

Ein Mädchen im bauchfreien Top, die Haare zu Braids geflochten, tuschelt zu ihrer Freunden: „Oh mein Gott, hoffentlich spielen sie den Song ’Ständer’“. Normalerweise hört man SXTN in der Bahn. Mögichtst leise, so dass der Sitznachbar nicht mitbekommt, dass man provokativen Assi-Deutschrap auf den Ohren hat. Umso befremdlicher ist es, wenn ein ganzer Raum „Ich ficke deine Mutter ohne Schwanz“ und „Er will Sex“ kreischt. Als sei es das normalste der Welt, irgendein Radio-Pop-Song von Ed Sheeran.

Bei dem Song „Schule“ fragt Nura, wer zur Hauptschule geht. Zehn Hände strecken nach oben. Ein kleiner Teil geht noch zur Schule, der Großteil hat Abitur.

Ursprünglich sollte das Konzert im Oktober stattfinden und war ausverkauft. Doch das Jazzhaus ist gerade mal zur Hälfte gefüllt.

Track-Check

Von „Fotzen im Club“, „die Fotzen sind wieder da“, „deine Mutter“ bis zu „Hass Frau“ – dem Track, bei dem sie ein Sample von Alice Schwarzer als Hook benutzen – wird jeder Hit gespielt. SXTNs Songrepertoire ist eine Mischung aus ihrem Album „Leben am Limit“ und ihrer EP „Asozialisierungsprogramm“. Der Satzbau in den Songs: Subjekt + Verb + Objekt + Beleidgung + Sheesh“. Artikel? Gibt es nicht.

Flirtalarm

Das Rap-Duo bezieht die Crowd in ihre Show ein. Sie verteilen High-Fives bis in die letzte Reihe, holen Mädchen auf die Bühne und tanzen mit ihnen. „Oh, sie sind hübsch“, sagen die Mädchen. „Heiß ist sie schon“, meint ein Junge, als Juju anfängt zu twerken. Es wird gezwinkert, Luftküsschen verteilt und zugewunken.

Highlights

Juju packt einen Bierschlauch aus. Ein Junge aus der hinteren Reihe ergreift ihn, setzt an und schluckt. Das Bier fließt, die Crowd feuert an.

Geil

„Ey Freiburg, ich liebe euch, schwöre“, sagt Nura. „Hier ist es immer warm. Als ich im Oktober hier war, habe ich mich draußen im Bikini gesonnt! Und ihr redet so witzig. Sagt: B-H, B-alkon und Gell“.

Nuras jüngere Cousine „Samy“ wohne hier in Freiburg, sei aber zu schüchtern, um sich zu zeigen. SXTN meint: „Wenn wir alt werden, ziehen wir hier hin. Safe!“

Pauschalurteil

Eine Karte kostet knappe 20 Euro. Das ist für ein Rap-Duo, dass derzeit sehr gefeiert wird, absolut fair. Doch manchmal wünscht man sich doch, die Texte lieber alleine in der Bahn zu hören, anstatt von fremden, minderjährigen Mädchen.

Das Konzert ist eine Show, doch merkt man, dass SXTN am Ende ihrer „Kann sein dass scheiße wird“-Tour angelangt ist. Nura ist erkältet, manchmal wird mehr erzählt, als gerappt. Dennoch bekommt es SXTN hin, die Crowd mitzureißen. Ob man die Musik feiert, ist Geschmackssache. Jedenfalls scheinen sie einen Nerv in der deutschen Musikszene getroffen zu haben. Mit Beleidigungen. Pöbeleien. Von Frauen.

Foto: Nicht mal Photoshop-Philipp wollte dieses Bild noch bearbeiten. Keine eigenen Fotos, das Konzert wurde von Florian Forsbach in Bildern festgehalten.

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