fudder.de: Am Samstag war Martin Schulz zu Besuch in Freiburg – heute folgte Angela Merkel. Die Wahlveranstaltung erinnerte an den „ZDF-Fernsehgarten“. Die Bundeskanzlerin selbst überzeugte aber mit Sympathie und konkreten Vorstellungen.

Stimmung

11.30 Uhr, noch eine Stunde bis die Kanzlerin kommt. Spitzenkandidat Matern von Marschall und andere lokale CDU-Politiker halten eine kleine Rede. Ein paar ältere Herrschaften sitzen mit Fleece-Jacken auf Bierbänken. Sie halten ihre CDU-Fähnchen in der Hand und wedeln damit in der Luft herum – so, dass es keiner bemerkt. Ab und zu klatschen sie in ihre Hände. Leise.

Die Cover-Band „Victory Seventeen“ spielt in den Pausen „What a Feeling“ von Flashdance und „Love is in the air“ von John Paul Young. Aber Liebe liegt nicht in der Luft. Langeweile steht den Menschen in ihr Gesicht geschrieben. Die meisten Mundwinkel hängen nach unten – wie die von Angela Merkel.

Wahlkampf-Moderatorin Claudia von Brauchitsch will für Stimmung sorgen. „Put your hands up in the air“ fordert sie auf – vergeblich. Mit Freude dabei sind hingegen die Mitglieder der Jungen Union: Man sieht Pressesprecher Theodor Lammich und Kreisvorsitzende Carolin Jenkner Hände schütteln, nicken und lächeln.

Alles in allem erinnert die Veranstaltung an die Sendung „ZDF-Fernsehgarten“: Eine Cover-Band, Sonnenschein, eine Moderatorin mit Dauergrinsen und ältere Herrschaften, die auf Bierbänken sitzen und brav in die Hände klatschen.

Wer war da

Hinter der Absperrung für Parteimitglieder, Presse und andere wichtige Personen, tummeln sich ein paar jüngere Leute – doch deutlich weniger als bei dem Besuch von Martin Schulz vergangenen Samstag. „Ich weiß noch nicht, wen ich wählen will“, sagt eine Frau im Studierendenalter. „Mich überzeugt bisher keine Partei so richtig. Merkel wird mich jetzt auch nicht überraschen. Das hat sie bisher nie.“

Am historischen Kaufhaus hört man Parteimitglieder der AfD grölen und pfeifen. „Wählt AfD“ rufen sie. „Weg mit Merkel!“. Doch bis auf ein paar weitere „Buh-Rufe“ machen sie keinen großen Aufstand. Nur ein selbstgebasteltes Plakat mit der Aufschrift „Salafisten, Gefährder, Mörder und IS-Terroristen abschieben“ wird in die Luft gehalten.

Die Bundeskanzlerin

Die Moderatorin kündigt Merkel an: „Wenn Frau Dr. Angela Merkel verspricht, um 12.30 Uhr da zu sein, dann ist sie auch um 12.30 Uhr da – passend zu den Sonnenstrahlen, die gerade rauskommen. Hier ist sie: Die Bundeskanzlerin!“. Merkel läuft ein. Musik, die eigentlich nur beim Autoscooter auf der Kirmes abgespielt wird, wummert aus der Anlage. Selbst die Herrschaften in Fleece-Jacken haltet jetzt ihre Fähnchen nach oben, wedeln, lachen, klatschen eifrig und strecken ihre Köpfe raus, um Merkel zu sehen.

Merkel lächelt: Das gleiche Lächeln, das man jeden Tag auf den Wahlplakaten sieht. Sie trägt eine dicke Kette aus Bernstein, ein gelbes Jackett und darunter ein schwarzes Hemd.

Die Rede

Zuerst Händeschütteln, ein Lächeln und herzliche Grüße von Wolfgang Schäuble, der seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag feiert. Dann erzählt Merkel, was sie in den vergangenen 12 Jahren Amtszeit erreicht hat: „Wir haben 5,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr als im Jahre 2006. Das bedeutet über fünf Millionen Menschen haben eine bessere Lebensperspektive für sich und ihre Familie. Diesen Kurs wollen wir fortsetzen meine Damen und Herren!“, sagt Merkel. Es folgt wieder lautes Pfeifen und „Buh-Rufe“ von der Seite. Merkel kontert – und überrascht: „Es gibt Leute in Deutschland, die denken, das kann man mit Pfeifen und Brüllen schaffen. Ich verrate ihnen: Das schafft man nur mit Arbeit!“. Die Besucher klatschen. Das erste Mal spürt man so etwas wie Euphorie.

Merkel spricht von einem Deutschland, dass auch in der Zukunft ein Deutschland sein soll, in dem wir gerne leben möchten. „Unsere Marschrichtung seit vielen Jahrzehnten und auch in dieser Zeit wieder: die soziale Marktwirtschaft!“ Merkel sagt aber nicht nur, was sie machen möchte. Sie sagt konkret, wie sie es umsetzen will.

Doch was fehlt, ist das direkte Ansprechen der jungen Wähler. „Unser Leben Zuhause hat sich verändert. So hat sich das Leben ihrer Kinder verändert. Und so verändert sich auch unser Arbeitsleben“, sagt Merkel. Diese „Kinder“ sind aber anwesend. Ein jüngerer Mann dreht sich zu seinem Kollegen und sagt: „Ich glaube mit Kindern sind wir gemeint“.

Doch auch das Thema Bildung spielt bei ihr eine entscheidende Rolle. „Es ist ganz wichtig, dass wir den Lehrern eine gute Weiterbildung geben, damit sie den Kindern eine gute Bildung geben können und dabei wollen Bund und Land zusammenarbeiten – damit wir auf der Höhe der Zeit sind, meine Damen und Herren“.

Sie spricht viel davon, was sie bisher erreicht hat – und wie sie das noch weiter verbessern kann: Weiter die Arbeitslosenquote senken, sich einem modernen Deutschland anpassen und dort helfen, wo Hilfe konkret gebraucht wird. Aber wie sollen die akuten und schwerwiegenden Probleme gelöst werden? Sei es der Bürgerkrieg in Syrien, Krieg des IS im Irak, unsichere Zustände in Libyen, Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland und Atomtests durch Nordkorea. Merkels Antwort ist so wie ihr ganzes Verhalten und Auftreten: diplomatisch. „Wir bringen uns ein, wo es solche Konflikte gibt. Wir wollen durch Diplomatie Probleme lösen!“. Die Veranstaltung endet mit der deutschen Nationalhymne.

Fazit

Merkel erweckt Sympathie – auch bei den jungen Wählern, wobei sie diese nicht direkt anspricht. Sie hat konkrete Vorstellungen und Ziele und macht diese deutlich. Ihre Rede: sachlich, diplomatisch, solide. Doch was fehlt ist die Stimmung, Begeisterung, Euphorie. Vielleicht auch ein bisschen Mut. Und mit Mut ist nicht die poppige „Autoscooter-Musik“ zur Begrüßung gemeint. Nur selten schafft sie es, das Publikum wirklich mit sich zu reißen. Es ist viel mehr die Person Angela Merkel, die für Begeisterung sorgt – nicht ihre Rede. Die junge Dame im Studierendenalter zu Anfang dreht sich wieder zu ihrer Freundin und sagt: „Alles wie erwartet. Keine Überraschung“.

Foto: Laura Wolfert
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