fudder.de: Tausche Glitzer-Shampoo gegen zwei Gin-Tonics: Unsere Autorin Laura ist einen Abend durch Freiburger Kneipen gezogen und hat nichts gezahlt – sondern Gegenstände gegen Getränke getauscht. Am Ende stand sie mit Partyhut im Nobel-Hotel Colombi.

Ich stütze mich mit meinem Arm an der Theke der Elizabeth-Bar ab. Vor mir steht ein großes Glas Gin-Tonic – daneben eine Klopapierrolle, ein Kollegah-Geldschein, Glitzershampoo und eine goldene Gesichts-Maske. Ich nehme das Gin-Glas, schnuppere und rieche die frischen Beeren. Doch mein aufgeklebter Schnurrbart, der schräg über meiner Oberlippe hängt, stört beim Trinken. Außerdem juckt der Party-Hut, den ich mir aufgesetzt habe. Es ist Zeit weiterzuziehen. Ich nehme meinen Jutebeutel und schlendere mit Partyhut und Schnurrbart aus der Bar – ohne zu zahlen. Wo gehe ich als nächstes hin? Und wie bin ich hier überhaupt gelandet?

Alles auf Anfang

In einem Artikel habe ich gelesen, dass ein Mann eine fantastische Nacht in Berlin erlebte – ohne dabei nur einen Cent zu zahlen. Seine Methode: Er tauschte minderwertige Dinge – wie Lottoschein oder Feuerzeug – gegen Shots und Zigaretten. Ich habe mich gefragt, ob das auch im Freiburg funktioniert – und ob ich den Mut hätte, mich durch Bars und Kneipen zu tauschen.

Ich möchte es zumindest versuchen. Damit sich keiner nur aus Werbezwecken auf den Handel einlässt, sage ich, dass ich eine Hausarbeit „über das Tauschverhalten in Freiburg“ schreibe. Eine Freundin begleitet mich.

Meine Tauschgegenstände

Glitzer-Shampoo, Rubiks-Cube, meine Handy-Nummer, CD aus einem Hip-Hop-Magazin, sieben Einhorn-Kondome, Geldschein auf dem Kollegah aufgedruckt ist, Luxus-Gesichts-Maske, einen Wunsch frei, Studentenfudder, Aspirin Complex, 50 Shades of Grey-Buch, mein Plus-Eins für das nächste Konzert, abgelaufenes Schweizer-Kondom, Zitrone und Salz, Ohrstöpsel, Vogel-Anstecker, Handbuch zum witzig sein.

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Erstes Ziel: Schlappen. Zustand: Nüchtern

Ich stehe angewurzelt vor dem Schlappen. Der Laden ist voll, draußen ist jeder Stuhl besetzt und die Leute nippen an ihrem Bier. Ich habe das Gefühl, dass mich alle anstarren. Ich weiß nicht, ob die Schweißperlen auf meiner Stirn durch die Hitze kommen – oder weil ich aufgeregt bin.

Ich laufe in Richtung Theke. Langsam. Ich versuche mit dem Wirt Augenkontakt aufzunehmen. Er kommt. Mist. Ich räuspere mich. „Nicht lachen..“, fange ich meinen Satz an. „Ich lache nicht“, entgegnet mir der Wirt. Er schmunzelt. Ich habe Hoffnung und fahre fort: „Ich schreibe eine Hausarbeit über das Tauschverhalten in Freiburg. Du darfst dir etwas aus meiner Liste aussuchen und gibst mir dafür was immer du möchtest: einen kleinen Schnaps, Bier, was auch immer.“

Er schmunzelt nicht mehr. „Wir tauschen hier nicht im Schlappen“, sagt er. Mein Herz rutscht mir in die Hose. Ich bedanke mich und laufe raus. Schnell. Am liebsten würde ich das Projekt abbrechen. Was ist, wenn tatsächlich niemand auf meinen Tauschhandel eingeht?

Zweites Ziel: Schachtel. Zustand: Nüchtern und traurig

Eigentlich hatte ich gehofft, dass sich die Aufregung nach der ersten Kneipe legt und ich mich beim zweiten Mal nicht mehr unwohl fühle. Von wegen. Ich schlendere in die Schachtel, eine Freiburger Studentenkneipe. Ein junger Mann zapft ein Bier ab und schaut mich fragend an: „Ja?“. Ich atme tief ein – dann erkläre ich ihm meinen Tauschhandel. Keine Rührung in seinem Gesicht. Mein Herz pocht. Ich fühle mich wie bei der Live-Show von DSDS, bei der gleich die Entscheidung verkündet wird und ein Kandidat (Ich!) nach Hause fahren muss.

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„Dann zeig mal deine Liste“, sagt er. Hoffnung! Ich krame einen Zettel, auf dem all meine Tauschutensilien aufgelistet sind, aus meiner Hosentasche. Er lacht! Ich bin erleichtert. „Den Rubics-Cube und das Handbuch zum witzig sein gegen zwei Schnäpse.“ Das reicht mir nicht. Ich muss mir Mut antrinken. „Und ein Bier oben drauf!“, sage ich. Hallo Selbstbewusstsein! Wo hast du dich nur versteckt?

Mein erster Deal. Meine Freundin und ich bekommen zwei volle Sambuca-Shots mit Kaffeebohne auf die Theke gestellt. Zusätzlich: ein kleines Pils.

Drittes Ziel: Feierling. Zustand: Glücklich

Das Feierling ist voll. Es duftet nach frisch gebrautem Bier. Ich quetsche mich mit meinem Jutebeutel zwischen zwei junge Leute an die Theke. Nervösität. Ich greife nach einem Bierdeckel und spiele mit ihnen rum, um mich abzureagieren. Eine Angestellte füllt Bierkrüge im Sekundentakt. „Was kann ich für dich tun?“, fragt sie. Ich erkläre wieder den Tauschhandel und strecke ihr den Zettel hin. „Moment, da muss ich meinen Chef fragen“, sagt sie und dreht sich um.

Ich sehe, wie sie mit einem Mann redet und versuche irgendwas aus ihrem Gesicht zu lesen. Die Bierdeckel in meiner Hand habe ich mittlerweile zerstückelt. Der Chef kommt mit meiner Liste zu mir. Ich schaue ihn mit großen Augen an. „Hm. Glitzershampoo ist schlecht für die Umwelt“, sagt er. Toll. Das Glitzershampoo versaut mir wohl den Abend. „Aber das Studentenfudder tausche ich gegen zwei kleine Bier!“. Ich schaue auf. Wirklich? Er streckt mir die Hand entgegen, wir schlagen ein. Deal!

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Viertes Ziel: Elizabeth-Bar. Zustand: Kann noch geradeaus laufen

Ich spüre den Schnaps und die Biere. Mein Projekt scheint zu glücken. Jetzt will ich mehr! Weg mit den Bierkrügen und her mit den Champagnergläsern. Ich setzte mich direkt an die Theke der Elizabeth-Bar. Ich erkläre dem Barkeeper und der Kellnerin meinen Handel, sie sind begeistert. „Der Chef ist zwar nicht da, aber der freut sich sicher, wenn er aus seinem Urlaub zurückkommt und sich von der Rückreise mit Glitzershampoo und Gesichtsmaske erholen kann!“, sagt die Kellnerin und lacht. Wir bekommen dafür zwei große Gin-Tonics mit frischen Beeren gereicht.

„Tauschst du auch diesen Party-Hut und die Geldschein-Klopapierrolle gegen den Kollegah-Geldschein?“, fragt sie. „Der liegt bei uns nur rum“. Der Kollegah-Geldschein wandert über die Theke. Ich bekomme zusätzlich noch Party-Schnäuzer zum aufkleben. Jetzt bin ich heiß, der Tauschhandel funktioniert besser als gedacht. Vielleicht zu gut, denn mein Kopf pocht. Ich spüre den Alkohol. Nach zwei Stunden habe ich bereits zwei Gin, drei Biere und zwei Schnäpse getauscht. Ich brauche etwas zu Essen.

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Fünftes Ziel: Döner. Zustand: Angeheitert

Ich laufe etwas unbeholfen in den Döner am Bermudadreieck. Ich erkläre nicht mehr viel, frage nur noch müde: „Tauscht ihr einen kleinen Yufka gegen einen witzigen Gegenstand?“ Nix Yufka. Ich soll wann anders wiederkommen.

Sechstes Ziel: Shooters. Zustand: Angeheitert und hungrig

Auch hier rede ich nicht mehr viel. Der Bar-Keeper kennt das Tauschprinzip. Vier Einhorn-Kondome gegen drei „Pussy-Kiss-Shots“. Das war einfach. Also rücke ich zwei Meter weiter nach links zu seinem Arbeitskollegen. Der schenkt uns drei „Buxtehude-Shots“ aus – gegen Aspirin. Dummer Tausch. Die werde ich am nächsten Morgen noch brauchen.

Siebtes Ziel: Schwarzer Kater. Zustand: Huiuiui

Wieder zwei kleine Bier. Im Gegenzug löst der Kellner „einen Wunsch frei“ ein: Ich soll wiederkommen. Wird gemacht, Chef!

Achtes Ziel: Colombi-Bar. Zustand: Schalalalalala

Ich muss irgendwo hin, wo ich sicher bin, dass ich diesmal keinen Alkohol bekommen werde. Ab ins Colombi-Hotels. Ich kichere und habe einen Schwips. „Tach“, sage ich den Leuten an der Rezeption und laufe an ihnen vorbei in Richtung Bar. Mein Schamgefühl habe ich im Shooters vergessen.

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Es läuft klassische Dudel-Musik. Die Gäste tragen Schlips und hohe Schuhe – ich hingegen trage meinen Partyhut an einem Jutebeutel. Ich schaue den Bar-Keeper an und versuche bei dem Wort „Hausarbeit“ nicht zu lachen. Er sagt nichts und schüttelt den Kopf. „Zwei Shots mit Leitungswasser?“, frage ich nach. Nein. Doch er grinst. Die Damen und Herren starren mich schräg an. Ich latsche nach draußen – und kichere weiterhin.

Neuntes Ziel: Hemingway-Smoker-Lounge. Zustand: Kritisch

Auch hier wird ein Wunsch eingelöst: Gegen eine Cola soll ich bitte die Lokalität verlassen. Guter Deal.

Zehntes Ziel: Irish-Pub. Zustand: Ich tausche alles gegen mein Bett

Zum Abschluss wollen wir noch einen Erfolg – also laufen wir guter Dinge zum Irish-Pub „O’Kellys“. Meine angebliche Hausarbeit erwähne ich gar nicht mehr. Die Barfrau lacht und reicht mir zwei Biere, ich gebe ihr dafür meine letzten drei Einhorn-Kondome. Viel Spaß damit.

Das Fazit

Nach dreieinhalb Stunden habe ich acht Biere, sieben Shots, zwei Gin-Tonics und eine Cola getauscht. Mission geglückt. Freiburg, ich verspreche dir: Dich tausche ich niemals ein!

Foto: Laura Wolfert

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