fudder.de/BZ: Kann man lernen, so sexy zu sein, wie Dita von Teese? fudder-Autorin Laura Wolfert wollte es wissen – und hat an einem Burlesque-Workshop teilgenommen.

Burlesque ist fester Teil der Popkultur – unter anderem dank Filmen wie „Burlesque“ und Künstlerinnen wie Dita von Teese. Kann man die Kombination aus Tanz, Schauspiel, Striptease und Styling erlernen? In einem achtstündigen Workshop haben die Travestie-Künstlerin Dita Whip und Tanzlehrerin Elena Auerbacher ihr Fachwissen mit einem Dutzend Frauen aus Freiburg geteilt – Fudder-Autorin Laura war eine von ihnen.

Sexy tanzen auf dem Stuhl

Meine Sport-Shorts sind zu kurz. Meine Oberschenkel kleben an dem alten Holzstuhl, auf dem ich sitze. Durch meine dünnen Socken spüre ich den Holzboden, auf dem normalerweise Salsa getanzt wird. Aus der Anlage erklingen leise die Töne einer Version von Britney Spears’ Song „Toxic“. Ich bin umgeben von elf Frauen, die ihre Beine spreizen, lasziv den Mund öffnen und pinke Federboas über ihre Schultern streifen. Mein zu großes Shirt rutscht mir über die Schulter, als ich mich nach vorne beuge. Ich werfe einen Blick in den großen Spiegel, greife den Stuhl an der Seite, räkele mich sexy über die Lehne – und lache.

Es ist ein Samstagmittag und ich bin in der Aya-Latin-Dance-Academy in Haslach und eine der zwölf Teilnehmerinnen eines achtstündigen Burlesque-Workshops. Wir lernen strippen und uns wie Burlesque-Tänzerinnen zu schminken. Später sollen wir in Strapse, Korsagen und High-Heels schlüpfen, um uns fotografieren zu lassen.

Unsere Tanzlehrerin ist Elena Auerbach. Sie trägt Netzstrumpfhose und einen roten Büstenhalter und zwinkert uns durch den Spiegel zu. Mit Leichtigkeit schwingt sie ihr Bein über die Lehne ihres Stuhls. „Burlesque ist wie ein humorvolles Theaterstück, bei dem man strippt – sich aber im Gegensatz zu einem modernen Striptease nicht komplett auszieht“, erklärt die 28-Jährige.

Am Rand des Tanzraumes lehnt in hohen Lack-Leder-Schuhen und einem mit Pailetten besetzten Body die üppige Travestiekünstlerin Dita Whip an der Wand. „Burlesque ist die Kunst des Ausziehens“, sagt sie. Ich schaue an mir herab: Kunst würde ich das noch nicht nennen. Christina Aguilera und ihre Kolleginnen sahen im Video zu „Lady Marmelade“ deutlich eleganter aus.

Beim Make-Up darf’s ein bisschen mehr sein

Die meisten Teilnehmerinnen sind um die 30 Jahre alt. Eine Frau mit blondem Bob hat den Workshop von ihrem Mann zum Geburtstag geschenkt bekommen. „Erst war ich sauer“, sagt sie. „Jetzt finde ich es doch ganz toll.“ Jetzt sitzen wir alle brav mit geradem Rücken auf unseren Stühlen, als seien wir in einem Sterne-Restaurant zum Abendessen. Ein Teil der Frauen trägt bereits schicke Nachtwäsche oder Lingerie, andere sind in bequeme Sportklamotten geschlüpft.

Nur das Make-Up fehlt noch. Dafür ist Travestiekünstlerin und Make-Up-Artist Dita Whip zuständig. „Wir verwandeln Euch jetzt in zukünftige Spielerfrauen“, kündigt sie mit deutlicher Lakonie an. „Junge, überschminkte Mädchen.“ Dita breitet ironisch ihr Make-Up-Arsenal auf einem Biertisch aus. An einem Modell zeigt sie, wie’s richtig geht – wir machen es an uns nach.

Für meine zwei Augen habe ich drei Pinsel und sechs Farben zur Verfügung. Auch wenn ich schon Wimpern am Auge habe, liegen Wimpern vor mir. Dazu Glitzer, Rouge und Klebeband. Das soll ich mir an die äußeren Augenwinkel kleben, damit ich nach dem Schminken einen sauberen Lidschatten-Rand habe. Nach einer Weile packt Dita mein Kinn und betrachtet mein Gesicht kritisch. „Laura hat Snickers“, sagt sie. Gemeint ist der braune Rouge-Balken über meinen Wangen, der wie ein dicker Schokoriegel aussehen soll. Dita rettet mein Make-Up: Sie tunkt einen Pinsel in verschiedene Töpfe mit Glitzer und tupft auf mein Gesicht. Ich blicke derweil in ihre übermalten Augen und erkenne jede ihrer überschminkten Poren.

„Welche Farbe?“, fragt Dita und streckt mir einen Kasten mit bunten Lippenstiften entgegen. Ich entscheide mich für Dunkelrot – und bekomme Blau. „Bei Burlesque muss man übertreiben, auch mal was ausprobieren“, sagt sie, und klatscht mir blaue Farbe auf die Lippen. Ich muss so sehr lachen, dass der Lippenstift auf meinen Zähnen landet.

Zum Abschluss noch ein Foto-Shooting

Auf dem Dachboden des Studios ist ein kleines Fotostudio aufgebaut. Korsagen, Schuhe und Federfächer liegen verteilt auf dem Boden. Die bunt geschminkten Frauen schnüren sich gegenseitig ein und stecken sich Federn in die Haare. Ich hole meinen Spitzenbody aus meiner Tasche und schneide das Preisschild ab. Ich habe ihn extra für diesen Workshop gekauft – den gleichen wie eine andere Teilnehmerin. Ich ziehe dünne Strümpfe über meine Beine und schlüpfe in High-Heels.

Dann drückt mir Fotografin Lisa Gramlich einen großen weißen Federfächer in die Hand. „Lady Marmelade“ dröhnt aus der Anlage. Die Fotografin streift mein Haar über die Schulter. „Ja, das ist Burlesque!“, sagt sie – und drückt auf den Auslöser, der Blitz flammt auf.

Sie zeigt mir ein Foto auf der Kamera, und ich erkenne mich kaum wieder: Ich sehe tatsächlich so aus, als sei ich gerade aus dem französischen Varieté Moulin Rouge entsprungen. Ich bin Burlesque, ein bisschen wie Dita von Teese – nur mit blauen Lippen.

Info

Das Wort Burlesque stammt vom italienischen Wort „burla“ ab und steht im Theater für eine überzogene Darstellung der Realität. Burlesque entstand Anfang des 20. Jahrhunderts und ist eine Art des Striptease – mit wenig Nacktheit, aber viel Ironie und Witz. Ausgefallene Kostüme sind den Performern wichtig und oft gehören auch Gesang, Schauspiel und Akrobatik zur Show dazu. Im Pariser Moulin Rouge wurde die erste Burlesque-Bühnenshow aufgeführt. Durch Filme wie „Moulin Rouge“ (2001) und „Burlesque“ (2010) erfährt Burlesque eine immer stärker werdende Renaissance. Den heutigen Stil nennt man Neo-Burlesque. Auf Tattoo-Conventions und in Clubs gehören Burlesque-Shows heute oft zum Programm.

Foto: Lisa Gramlich, Foto in der Print-Ausgabe: Miroslav Dakov

Artikel auf fudder.de