fudder.de: Groupies bleiben nicht zum Frühstück – sondern auf einen Gin. Die Hamburger Hip-Hop-Band „187 Strassenbande“ hat am Donnerstag das Jazzhaus zerfetzt, unsere Autorin ging nach dem Konzert mit aufs Hotel. Was sie erlebte:

„Einen kleinen Vanillemilkshake, bitte“, sagt Toni, der um ein Uhr nachts im McDonald’s für einen Ex-Knackie Essen bestellt. „Dazu noch fünf Cheeseburger ohne Gurke, zwei Mal die Zwanziger-Chicken Nuggets, drei große Portionen Pommes und einen Big Tasty Bacon“. Toni ist der Merchandiser der Hamburger Hip-Hop-Crew 187 Strassenbande. Die Gangster-Rapper haben Appetit.

Neben den Rappern stehe ich, ich in der Hand einen Fake-Geldschein, auf dem Kollegah abgebildet ist. Die Banknote habe ich auf dem 187-Konzert von einem Groupie geschenkt bekommen – und weniger Stunden später bin ich selbst zu einem geworden.

Die Strassenbande im Jazzhaus

Vor dem Eingang des Freiburger Jazzhauses lauert bereits um 18 Uhr dutzende Jungs mit Jogginghosen und funkelnden Goldkettchen. Die Fahrradfahrer kommen nicht vorbei, schimpfen, klingeln, brüllen – doch keiner rührt sich von der Stelle. Keiner möchte seinen lang erstandenen Warteplatz hergeben.

Doch woher der Hype? Gzuz, der mit Bonez MC das Aushängeschild von 187 ist, musste für drei Jahre in den Knast. Die Strassenbande starteten aus diesem Grund 2012 ihre „Free-Gzuz“-Tour. Loyalität, die sich auszahlt: Kurz nach der Entlassung landete das Kollabo-Album von Gzuz und Bonez MC „High & Hungrig“ 2014 unter den Top-Ten-Charts. Dazu erschien im September 2015 das lang ersehnte Album von Gzuz „Ebbe und Flut“.

Gutenachtgeschichten aus dem Ghetto

„Messer an Hals, rein raus, rein raus. Gangster und Knast, rein raus, rein, raus – so nimmt das Leben seinen Lauf“, rappt die Vorgruppe AK – Außer Kontrolle – mit einem Tuch um den Mund gebunden ins Mikrofon.

Die Texte sind definitiv nicht für Kinderbücher geeignet. Gzuz, Bonez MC und Sa4 schreiten auf die Bühne, das ausverkaufte Jazzhaus schreit.

Ich nicke im Takt, stehe in der ersten Reihe. Hinter mir pressen, kreischen, kratzen die Fans. Jeder will so weit es geht nach vorne, die verschwitzten Körper der Rapper betatschen. Maxwell und Gzuz haben ihre Shirts ausgezogen. Sie brüllen mit knallrotem Kopf in das Mikro. Immer wieder kommen sie weiter nach vorne an die Bühne, vergeben High-Fives, verschenken ihre angezündete Lunte.

Das Schiff sinkt – das Hotel ging unter

Im Getümmel finden sich bekannte Gesichter. „Warst du nicht auch bei Kollegah?“, schreit ein Mädchen neben mir und drückt mir einen Kollegah-Fake-Geldschein in die Hand. Ne, war ich nicht. Aber danke!

Zum Ende des Konzert stürmt die Crowd die Bühne, 187 Strassenbande wird von der Menge verschlungen. „Na ja, scheint als wäre es vorbei“, stupst mich ein Mann von der Seite an. Er gehört zu AK, Jason sein Name. „Wir sind im Hotel „Zum Schiff“ – wenn du Lust hast, kannst du mit deinen Freundinnen vorbeikommen.“

Strassenrapper im Sternehotel

Wir werden von Tourmanager Jakob in das Hotel begleitet. Tatsächlich. Auf Teppichboden läuft die Strassenbande neben einer noblen Renterin in die Lobby des Hotels. Die Jungs passen so wenig hier rein, wie Micaela Schäfer in die Kirche. Leider sind sie ohne Crew-Mitglied LX unterwegs, da dieser seit September im Knast hockt. Auch Gzuz saß bereits in der Zelle – jetzt sitze ich mit ihnen in der Hotel-Lobby eines Vier-Sterne-Hotels und trinke Gin-Tonic.

Asche liegt auf den Boden, gemischt mit dem ein oder anderen verschütteten Drink. Der Hotelier nimmt es gelassen. „187 Strassenbande“ sind nun mal Rockstars – nur mit Jogginghose und Hausschuhen“, sagt er.

Ex-Knackie bekommt Kirschtorte

Die mitgebrachten Zwanziger-Chicken-Nuggets sind innerhalb weniger Sekunden verschlungen. Wir verstehen uns prächtig, sind eine fantastische Gruppe aus Gangstern und Groupies. Zum Abschied wird ein Foto von meinem unterschriebenen Shirt gemacht, das angeblich an LX in den Knast versendet wird.

„Ey wir sind am Samstag in Heidelberg. Wenn ihr euch was Geiles ausdenkt, kommt ihr auf die Gästeliste“, sagt der Tourmanager. Meine Freundin entscheidet sich, Schnaps und eine Schwarzwälderkirschtorte mitzubringen. „Deal, Diggah. Muss aber selbst gemacht sein, ne!“ Kurz darauf verlasse ich mit meinen Freundin die Crew. Groupies bleiben nicht zum Frühstück.

Foto: Gzuz

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