fudder.de: MoTrip war am Wochenende auf „Mama-Tour“ im Freiburger Haus der Jugend. Unsere Autorin Laura Wolfert hat ihn nicht nur als erfolgreichen Rapper, sondern auch als Mohamed El Moussaoui kennengelernt – ein sympathischer junger Mann, der 1990 mit seiner Familie aus dem libanesischen Bürgerkrieg flüchten musste. Und dann war da noch die Sache mit den Reibekuchen:
Der Mann, der gerade vom Soundcheck kommt und gleich auf die Bühne stürmen und rappen wird, jetzt aber noch eine klitzekleine Pause einlegt, hat einen Extrawunsch. „Kannst du mir den Reibekuchen einmal in Zewa packen, sonst ist der so fettig?“, fragt er und natürlich ist das möglich, warum auch nicht, jetzt wo er ein Star ist.
Einst war das alles etwas anders bei MoTrip, Deutschlands derzeit vielleicht interessantestem Rapper. „Reibekuchen“, sagt er, „habe ich schon immer bekommen. Den habe ich mir früher aber selbst gemacht.“ Früher, das war die Zeit, bevor der Rapper aus Aachen bekannt war. Bevor er mit der Sängerin Lary seinen Hit „So wie du bist“ aufgenommen hat. Es war die Zeit, da MoTrip zu Konzerten zu dritt anreiste. „Jetzt“, sagt er, „ist alles ziemlich gewachsen“. Dann muss MoTrip raus. Die Bühne stürmen. Rappen.
Highfives mit der ersten Reihe
Im Haus der Jugend riecht es nach Männerdeo, etwa 700 Kerle haben sich in den Saal gedrängt. Fast alle haben sich NY-Caps auf den Kopf gesetzt und Fan-Shirts übergezogen, auf denen „Mo-Dirty-Shit“ steht. Zwischen den Jungs wippen ein paar wenige Mädchen. Auch sie nippen am Bier, tragen Caps. Nur haben es die weiblichen Fans geschafft, sich weiter nach vorne zu drängeln. MoTrip verteilt Highfives in der ersten Reihe – die Mädels rasten aus, schreien lauter als der Rapper selbst.
Doch MoTrip, das ist sein Erfolgsgeheimnis, setzt nicht nur auf Lautstärke und coole Gesten. Sein Repertoire übersteigt das gewöhnlicher Assi-Rapper bei Weitem. Der Aachener gilt als sentimental, seine Texte haben Tiefgang, prollig wird er selten. Im Gegenteil: Bei „Mama“ werden sogar die Feuerzeuge ausgepackt. Er spielt sein gleichnamiges Album durch und packt ein paar seiner alten Hits aus. Darunter „Embryo“ und sein persönliches Lieblingslied „Gegenwart.“ MoTrip, das ist der Rapstar, bei dem sogar die harten Jungs weich werden. „Aufgestiegen aus zertrümmerten Ruinen, hätt’s keinen Widerstand gegeben, wär‘ ich pünktlicher erschienen, ich musste fliehen aus geplündertem Gebiet“, ruft MoTrip ins Mic und die Jungs rappen mit.
Was in diesen Zeilen schon anklingt: Mit knapp zwei Jahren flüchtete Mohamed El Moussaoui, wie MoTrip bürgerlich heißt, mit seiner Familie aus dem Libanon nach Aachen. 26 Jahre später gewinnt er mit „So wie du bist“ seine erste goldene Schallplatte.
Hähnchen, Bohnen, Rapper
„Mutrip“ das ist das arabische Wort für Künstler und setzt sich mit seinem Vornamen Mohamed zu MoTrip zusammen. Doch Künstler-Allüren hat der Rapper nicht. „Ey hey, ich bin Mo“, stellt er sich vor – als müsse man nicht wissen, wer vor einem steht. Im Backstagebereich steht neben einem kleinen Buffet eine Kühlbox: Eistee, Cola, Fanta und Bier. Der gesunde Fruchtsalat sieht unberührt aus. Das Bier scheint bei der Crew hingegen beliebter zu sein: Auf den Tischen liegen mehrere leere Flaschen.
Auf einem roten Sessel macht es sich Joka, der Support, mit einem vollen Teller bequem. Hähnchen mit Bohnen – das essen Rapper. Bis auf „Mo“ – der will seinen entfetteten Reibekuchen. Er lacht herzlichst, wenn man ihn darauf anspricht. Man merkt woher der Aachener kommt, dass er zu schätzen weiß, was er erreicht hat, Konzerte für tausende Fans zu geben. „Wenn ich mich für immer entscheiden müssen, würde ich aber die kleineren Bühnen bevorzugen. Die sind persönlicher, da sind mehr Emotionen.“
Persönlich, ist nicht nur das Treffen, sondern auch das Konzert – und voll: In dem Saal im Haus der Jugend passt nicht mal mehr ein kleines Bier – die Show ist seit mehreren Wochen ausverkauft. „Wir schaffen’s kaum, Potential zu entfalten. Wir brauchen Raum, um den Traum auch real zu gestalten“ – MoTrip fängt an „Malcolm Mittendrin“ zu rappen: „Du alleine kannst die Welt nicht bewegen. Doch stell dir uns alle gemeinsam vor.“
Das sagte MoTrip bereits im Interview: „Ich bin stolz auf die Inhalte, die ich in meinen Songs habe. Dass es ganz wichtig ist, dass wir alle zusammen auf dieselben Werte zurück schauen. Wir alle haben dieselben Ängste, dieselben Hoffnungen. Ich alleine kann die Welt nicht bewegen. Aber wenn ich etwas machen kann, dann kann ich zumindest den Leuten durch meine Songs zeigen, wie ich darüber denke“, sagt er.
Vom kleinen Bub zu Bushido
Seine Karriere begann MoTrip bereits mit 15 Jahren. Zusammen mit seinem Bruder Hassan schrieb er Songs. Rapper wie Kool Savas, Samy Deluxe, Silla und Joka wurden auf ihn aufmerksam. Später, so behauptet zumindest Branchenkollege Eko Fresh, schrieb MoTrip als Ghostwriter Texte für Fler und Bushido.
An seinen Bruder denkt Motrip immer wenn auf der Bühne steht. Auch in Freiburg. Hier bringt ihn das kleine, aber volle Haus der Jugend ordentlich zum Schwitzen. MoTrip macht wie versprochen Ansagen, steht zu seinen Texten und setzt sich für Integration ein. Rapper DriveBy kommt auf die Bühne: „Andere Rapper stehen im Regen. Ich sitze – im Rollstuhl.“ Das Haus der Jugend tobt.
„Wir sind alle gleich“, sagt der Aachener. Diskriminierung und Rassimus hat er aber selber auch schon erlebt: „Es ist unglaublich, wie sich das in der letzter wandelt, ehrlich gesagt. Ich bin ziemlich Deutsch, zwar gebürtiger Libanese, aber ich liebe es in Deutschland. Und ich sage auch immer, dass nicht alle Deutschen so handeln. Aber ja, ich merke auch gewisse Blicke, dass muss man wir glauben.“
„Irgendwo gefang’n zwischen Raum und Zeit“<
Motrip hat mittlerweile sein viertes Handtuch verbraucht, legt sich aber weiterhin voll ins Zeug. Ali As unterbricht, rappt ein paar Lines seines neuen Albums „Euphoria“, das am 25.März erscheint. Auch Joka – fertig mit Hähnchen und Reis – gibt mit „Moin moin“ sein Bestes. Dann wird „Lauf der Zeit“ angespielt.
Ob sich das mit der Integration und Rassismus alles im Laufe der Zeit ändert? „Nein, ich glaube nicht, dass sich das ändern wird“, sagt MoTrip. „Nicht zum Positiven. Ich kann auch die Ausländer verstehen, die sich betroffen fühlen. Ich sehe das ja, ich bekomme das mit. Das kann man vielleicht nicht verstehen, wenn man nicht selber betroffen ist. Jahrelang habe ich gute Erfahrungen gemacht. Mittlerweile mache ich aber immer öfters schlechtere. Alles andere wäre gelogen.“
Der Rapper scheint in seinen Worten ehrlich. Er weiß schließlich von was er spricht. Und er weiß woher er kommt, wirkt sympathisch, nicht überheblich. Immer wieder betont er auf der Bühne, was ihm wichtig ist.
Und nach dem Konzert? „Da wird noch ein bisschen Poker gezockt und Musik gemacht.“ Trotz seines Erfolgs hat MoTrip sich nicht verändert. Er ist so geblieben, wie er ist – mit einem entfetteten Reibekuchen: Der wartet bereits im Zewa-Tuch auf ihn.
Foto: Laura Wolfert
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